Von Menschen und Systemen. Zentrale Ideen im Nachhaltigkeitsdiskurs und ihre ethischen Grundlagen
Nachhaltigkeit ist in aller Munde. Einzelne Personen bemühen sich um einen nachhaltigen Lebensstil. Unternehmen wollen – oder müssen – ihre Nachhaltigkeitsperformance offenlegen. Städte, Kreise, Regionen, Länder und Staatenverbünde setzen und messen ihre Nachhaltigkeitsziele. Und auch die Weltgemeinschaft arbeitet fortlaufend an einem Konsens zu diesem Thema. Dabei reicht der Nachhaltigkeitsdiskurs unmittelbar einige Jahrzehnte und mittelbar einige Jahrhunderte zurück. Entsprechend ist die heutige Diskussion sehr vielfältig und in mancherlei Hinsicht vage. Zudem wird leicht übersehen, dass es sich im Kern um eine ethische Diskussion handelt. Was also meint „Nachhaltigkeit“ aktuell und was genau hat Ethik damit zu tun?
Im angekündigten Vortrag werden entsprechend zentrale Ideen im Nachhaltigkeitsdiskurs herausgearbeitet und ihre ethischen Grundlagen offengelegt. Dabei zeigt sich, dass das Nachdenken über Nachhaltigkeit geprägt ist von einer Betonung der Menschenwürde sowie von einer emotionalen Dimension, z.B. der Sorge um die eigenen Kinder und Enkel. Weiterhin spielt die Systemperspektive eine zentrale Rolle sowie die Diskussion von Grenzen, was sich bereits an der klassischen Studie Limits to Growth zeigt. Zudem zeichnet sich der Diskurs durch eine räumliche und zeitliche Entschränkung der Perspektive aus; globale Gerechtigkeit und Zukunftsgerechtigkeit werden miteinander verbunden. Diese Ideen wiederum wurzeln in der Ethik: Menschenwürde, Emotionen, systemische Eingebundenheit und Fragen der Gerechtigkeit werden in verschiedenen Ethikansätzen herausgestrichen. Daher kann die Ethik auf der einen Seite wichtige Beiträge zur Klärung – und Umsetzung – von Nachhaltigkeitszielen leisten. Auf der anderen Seite fordert das Thema Nachhaltigkeit die Ethik heraus, denn hier geht es wortwörtlich ums Ganze, also um eine komplexe Verflechtung verschiedener Aspekte, die sonst häufig getrennt betrachtet werden.
Prof. Dr.-Ing. Dr. phil. Michael Kuhn, geb. 1986, studierte Maschinenbau, Verfahrenstechnik und Philosophie. Noch als Student gründete er 2007 mit anderen Augsburger Studierenden den sozialen Online-Buchhandel buch7.de. 2018 wurde er an der Technischen Universität München mit einer ingenieurwissenschaftlichen Arbeit zum Thema Filtration promoviert. 2022 verteidigte er seine philosophische Dissertation mit dem Titel Technische Fiktionen an der Universität Rostock. Nach Ingenieurtätigkeiten in der freien Wirtschaft bei einem mittelständischen Unternehmen und einem kommunalen Versorgungsunternehmen ist Michael Kuhn seit 2024 Professor für Nachhaltige Produktentwicklung an der Technischen Hochschule Rosenheim. Hier lehrt und forscht er zu Themen der nachhaltigen Produktentwicklung, der Kreislaufwirtschaft und des Recyclings sowie zur Theorie der Nachhaltigkeit und der Umweltethik. Parallel baut er aktuell gemeinsam mit Kolleg*innen das Zentrum für Kreislaufwirtschaft und Recycling (ZKR) in Waldkraiburg (Landkreis Mühldorf am Inn) auf. An diesem Forschungsstandort der Technischen Hochschule Rosenheim wird das Recycling von Kunststoffen sowie zukünftig von weiteren Werkstoffen untersucht und verbessert.
