Masterthesis - Resiliente Stadt Leipzig, Stadtakupunktur
Elena Hüning & Fanny Mayer
Motivation
Jahrelang wurde der urbane Raum autogerecht geplant und umgebaut. Doch in einer lebendigen Stadt sollte der Straßenraum nicht nur bloße Durchgangsfläche sein, sondern ein Ort der Begegnung und des Aufenthalts. Die räumliche Trennung der verschiedenen Funktionen innerhalb der Stadt machte ein eigenes Auto regelrecht erforderlich.
Funktional durchmischte Städte würden die Entfernungen notwendiger Tätigkeiten verkürzen und die Einwohner dazu animieren Strecken zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückzulegen. Ein Blick auf die Entwicklung unserer Innenstädte zeigt, dass der Fokus auf immer größere Handelsflächen gelegt wurde, um mehr Auswahl zwischen den verschiedenen Produkten zu ermöglichen. Dafür mussten in der Folge auch immer mehr Parkplätze gebaut werden. Wir haben es versäumt, diesen Trend zu hinterfragen, was zu weitgehend monofunktionalen Innenstädten geführt hat.
Das veränderte Konsumverhalten, sowie das veränderte Arbeitsverhalten und im Allgemeinen neue Nutzungsgewohnheiten in Folge der Digitalisierung müssen im Städtebau berücksichtigt werden. Dabei müssen Entscheidungen auch stets im Hinblick auf ökologische Aspekte bewertet werden, um die grüne Wende zu bewältigen. Die Digitalisierung spielt dabei in der integrierten Stadtplanung eine entscheidende Rolle und wird die Funktionsweise unserer Städte und Gemeinden grundlegend verändern.
Dabei gilt es die digitale Transformation nach unseren gesellschaftlichen Werten zu gestalten und Entscheidungen sorgfältig abzuwägen.
Kleiner Einstich. Große Wirkung
Unsere Methode der „Stadt-Akupunktur“ hat den Anspruch mit einem kleinen Stich eine große Wirkung zu erzielen und dadurch letzten Endes den (Stadt-)Körper zu heilen.
Wie intakt das System Stadt ist, zeigt sich unter anderem daran, wie gut es mit Krisen umgehen kann. Die Analyse verschiedener Krisen, darunter langfristige (wie z.B den Klimawandel), aber auch plötzliche Schocks (wie z.B die Corona-Pandemie), brachte uns dazu, den komplexen Städtebau zunächst auf jeweils einen Missstand herunterzubrechen (z.B Einsamkeit in Großstädten). Der Dystopie, in der wir leben, setzen wir eine schillernde Vision, eine Utopie, entgegen. Der konkrete Lösungsvorschlag ist dann der Nadelstich in den Stadt-Körper.
Hierzu wird eine leicht umzusetzende Aufforderung formuliert (z.B. „Reißt die Zäune ein!“). Dabei ist die These, dass ausgehend von dieser ersten Aktion ein Stein ins Rollen gebracht wird und sich weitere Folgeerscheinungen natürlich, ohne weitere Planung, ergeben. Damit können unter Umständen mehrere Probleme auf einmal gelöst werden.
Wie auch in dem Bild der Akupunktur durch einen Stich, weit entfernte Nerven beeinflusst werden. Die Häufung unerwarteter Ereignisse in letzter Zeit haben gezeigt, dass der klassische Städtebau oftmals nicht flexibel genug ist, um ihnen zu begegnen. Ein Masterplan wird oftmals über Jahre hinweg erstellt und am Ende dieser Zeitspanne kann sich herausstellen, dass sich die Anforderungen geändert haben und die Planung überholt ist. Die jüngste Krise, die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass auf einmal schnelle, ungewöhnliche Ansätze möglich waren. Plötzlich durften Restaurants Parkplätze verwenden, um eine Außenbestuhlung anzubieten, probeweise kam es zu Popup-Radwegen. Wir plädieren dafür, dass das Ausprobieren durch die temporäre Aneignung des öffentlichen Raums genau das ist, was wir brauchen, um die Transformation hin zu einer krisenfesten Stadt zu bewältigen.
Der Straßenraum wird zum Reallabor. Dadurch, dass Ideen erst einmal provisorisch ausprobiert werden, ist es leicht alles bei einem eventuellen Scheitern rückgängig zu machen. Die stete Analyse der Wirkung ist wichtig, um während des Prozesses Anpassungen vorzunehmen und sich Wissen für spätere Projekte anzueignen. Dabei ist es von zentraler Bedeutung die Bürger zu integrieren. Durch eine frühzeitige Einbindung der Bevölkerung im Entwurfsprozess kann man aus dem kollektiven Wissen über den Ort schöpfen und erzielt durch die Anpassung an die Bedürfnisse der Menschen eine höhere Akzeptanz des Projekts. Außerdem steht unsere Methode für eine Entwicklung von unten heraus, wofür es von zentraler Bedeutung ist, dass zuerst ein Umdenken in den Köpfen der Menschen stattfindet.