Von Monstern, Mäusen und Machtgefügen
Transformation der ehemaligen Zentralen Tierversuchslaboratorien der FU Berlin
Masterthesis - Julia Dehmel
Motivation
Im Südwesten Berlins, in Steglitz Zehlendorf, befinden sich die ehemaligen zentralen Tierversuchslaboratorien der FU Berlin. Geplant durch die Architekten Gerd & Magdalena Hänska entstand 1980 der Bau, um wissenschaftliche Experimente mit lebenden Tieren durchzuführen und die Versuchstiere vor Ort zu züchten. Die Labore benötigten eine große Anzahl an Lüftungsanlagen, welche durch Luftansaugrohre von außen sichtbar werden. Auf jedes Nutzungsgeschoss folgt eine Technikebene. Zusätzlich gibt es drei Kellergeschosse. Das Gebäude stellt mit seinen pyramidenartig aufeinander gestapelten Betonplatten ein abgeschottetes System zur Umwelt dar. Die äußere Erscheinungsform richtete sich nach dem Nutzen des Gebäudes.
Die ehemaligen zentralen Tierversuchslaboratorien besitzen viele Namen: "Mäusebunker", "Betonmonster" oder "Kriegsschiff". Hierbei handelt es sich um Zuschreibungen, die auf den Baustil des Brutalismus zurückzuführen sind. Mittlerweile ist das Gebäude vom Abriss bedroht, denn die ursprüngliche Nutzung ist aus Sicht des Betreibers, der Charite Berlin, nicht mehr rentabel. Die Charite Berlin benötigt derweil neue Flächen für Forschungseinrichtungen und ist somit an einem Abriss des Mäusebunkers interessiert. Neben den, laut der Charite Berlin, hohen laufenden Betriebskosten, seien die technischen Einrichtungen des Gebäudes nicht mehr zeitgemäß und somit sanierungsbedürftig [1]. Des Weiteren steht der Mäusebunker unter Asbestverdacht und ist deshalb seit dem Jahre 2010 zu großen Teilen leergeräumt und ist nicht mehr betretbar.
Es handelt sich um ein nach damaligen Standards hochtechnisiertes Gebäude. Aus heutiger Sicht ist die Technik obsolet und es kommt die Frage auf: Wie kann mit so einem Gebäude umgegangen werden. Ein Erhalt ist nur mit einem tragfähigen Nutzungskonzept denkbar. Um einen Verfall oder einem möglichen Abriss entgegen zu wirken, soll in dieser Masterarbeit geprüft werden, was die ehemaligen Tierversuchslaboratorien für Nutzungsmöglichkeiten bieten können. Die in sich gekehrte Gebäudehaltung mit wenig Tageslicht, eine Gebäudetiefe von ca. 40 Metern, sowie die Technikgeschosse mit den veralteten Lüftungsanlagen stellen wohl die größte Hürde für eine Nachnutzung dar. Die Zentralen Tierversuchslaboratorien haben aufgrund der klaren, eigenständigen und künstlerischen Form einen hohen Wiedererkennungswert. Doch welchen Wert haben Wissenschaftsbauten der Nachkriegsmoderne für die heutige Gesellschaft? Was sind die baulichen Herausforderungen die zum Erhalt der Brutalismusikone bewältigt werden müssen?
Aus einer Bestandsanalyse sollen die Potentiale des Gebäudes und des Ortes herausgearbeitet werden. Ziel der Arbeit ist ein geeignetes Konzept zur Nachnutzung der zentralen Tierversuchslaboratorien und den dafür erforderlichen Umbau zu entwickeln. Der Erhalt stellt jedoch Herausforderung dar. Wie kann das Gebäude zukünftig bespielt werden und was sind die notwendigen baulichen Anpassungen? Wie kann mit der vorhandenen Bausubstanz umgegangen werden und wo können Veränderungen vorgenommen werden?
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Fazit
Die Zentralen Tierversuchslaboratorien entspringen nicht dem Ort. Es ist keine städtebauliche Setzung vorzufinden, was charakteristisch für Bauten der Nachkriegszeit ist. Sie stehen als Symbol für die gescheiterten Ideologien und Utopien des 20. Jahrhunderts in der Frontstadt Berlin [63]. Der historische Wert sollte bewahrt werden. Auch sollten gegenwärtig aus ökologischen und ökonomischen Gründen Gebäude dieser Art nicht mehr errichtet werden, sodass die Zentralen Tierversuchslaboratorien eine Sonderstellung einnehmen können.
Das Gebäude hat den ursprünglichen Nutzen verloren. Ein neuer Gebrauch muss ausgehandelt werden, damit das Gebäude nicht weiter verfällt. Ein Grundsatz der Denkmalpflege ist es, dass ein Bauwerk in seinem Ursprungszweck weiter genutzt werden soll. Für den Fall, dass dies nicht möglich ist, sollte eine möglichst gleichwertige Nutzung angestrebt werden.
Durch die Massivität und die Gestaltungselemente des Gebäudes entsteht eine Assoziation mit einer bedrohlichen Bild. Der heruntergekommene Zustand und die Ablagerungen auf der Betonfassade wie Schmutz, Moose und kleine Pflanzen verstärken den Charakter gegenwärtig. Der Alterswert der Zentralen Tierversuchslaboratorien stärkt somit seinen Charakter und ist erhaltenswürdig. Viele Bauten werden in der Regel auf ihren Neuwert instandgesetzt oder wiederhergestellt. Das Leitbild sollte jedoch die Alterung und die Gebrauchsspuren akzeptieren. Veränderungen können vorgenommen werden, solange das visuelle Erscheinungsbild nicht nennenswert beeinträchtigt wird.
Man erkennt von außen die Funktion des Gebäudes nicht, aber man erfährt eine ungeheure Ausdrucksstärke. Durch Zuschreibungen wie '"Betonmonster·· oder "Raumschiff Steglitz" werden die Zentralen Tierversuchslaboratorien schnell emotional aufgeladen.
Demgegenüber steht, dass das Gebäude als reiner Nutzbau konzipiert wurde und sich durch Technisierung auszeichnet. Der Landeskonservator Christoph Rauhut erklärt: "Die spezifische Zweckbindung der Zentralen Tierlaboratorien ist eine Besonderheit[ ... ]. Gleichzeitig ist das bekannte Bild des Gebäudes sehr eng an Kubatur und Fassade geknüpft. Meines Erachtens ist insbesondere dies Teil der Marke Mäusebunker" [64]. Für Rauhut steht fest, dass der kulturelle Wert des Bauwerks über dem des ökonomischen liegt [65].
Die Erschließung innerhalb des Gebäudes mit der strikten Trennung von Sauberkeitsbereichen durch Schleusen, die separat zugänglichen Treppenhäuser und das Farbkonzept als Orientierungshilfe sind charakteristisch für das die Zentralen Tierversuchslaboratorien. Nach Prof. Dr. Gabi Dolff-Bonekämper sind die Abschottungs- und lsolierungsvorgänge als System zu erhalten [66]. Dazu gehört nach ihrer Ansicht auch die Trennung von Nutzungs- und Technikgeschossen. "Davon muss etwas bleiben" [67]. Das denkmalpflegerische Interesse konzentriert sich zwar auf die visuelle Erhaltung des äußeren Erscheinungsbildes, dennoch sollte die Hülle nicht vom Inneren losgelöst betrachtet werden.
Auszug aus der Broschüre:
«Von Monstern, Mäusen und Machtgefügen - Transformation der ehemaligen Tierversuchslaboratorien der FU Berlin» von Julia Dehmel