am 25.8.2021 von 11.30 bis 13.30 Uhr (digital), Organisationsteam: Anja Pannewitz (HTWK Leipzig), Lena Verneuer (RWTH Aachen), Andreas Braun (Universität Bielefeld)
beim digitalen Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie und der Österreichischen Gesellschaft für Soziologie
„Post-Corona-Gesellschaft? Pandemie, Krise und ihre Folgen“ vom 23.8. bis 25.8.2021
Die Zunahme häuslicher Gewalt durch die Lockdowns während der Corona-Pandemie steht seit deren Beginn im Februar/März 2020 besonders im Fokus von UN, Menschenrechtsorganisationen, Sozialer Arbeit und Medien vieler Länder. Amnesty International spricht in dem Zusammenhang sogar von einer Schattenpandemie.
Der öffentliche Diskurs dazu – wie zu häuslicher Gewalt allgemein – wird ausschließlich normativ, kaum aber analytisch geführt. Gesellschaftspolitisch wird stattdessen schnell nach statistischen Zahlen und konkreten Maßnahmen wie Hilfetelefonen und -Apps verlangt, die v.a. bei häuslicher Gewalt gegen Frauen* und gegen Kinder Hilfe anbieten sollen. Gesellschaftstheoretisch jedoch scheint der Diskurs über Gewalt mit den Ausläufern der zweiten feministischen Welle marginal geworden zu sein, obwohl die Fallzahlen in Deutschland jährlich nach wie vor ansteigen. Soziologische Theorien scheinen sich vielmehr spätestens seit den 1990er Jahren in der Erklärung des Phänomens durch Geschlecht, Biografie und situativen Stress zu erschöpfen und auf Spezielle Soziologien (Frauen-, Geschlechter-, Familiensoziologie etc.) zurück gezogen zu haben. Handelt es sich hierbei, wie bei Gewalt im Allgemeinen, um ein Problem soziologischer Theorie, zu dem sie sich in Breite nicht mehr (neu) zu äußern vermag?
Die Lockdown-Pandemiesituation stellt einen ganz offensichtlichen empirischen Anlass dar, dieses Gewaltphänomen und dessen (hypothetische) Verschärfung durch die Corona-Pandemie mit einem allgemeinen statt einem spezifischen und vor allem mit einem nicht-normativen soziologischen Duktus theoretisch weiter zu untersuchen. Denn unter den krisenhaften Bedingungen einer Pandemie könnten Mechanismen häuslicher Gewalt besonders deutlich hervortreten, die bislang eher unbeachtet blieben oder lange marginalisiert wurden und unser Verständnis erweitern oder auch infrage stellen. Aus diesen beiden Gründen darf bei einem soziologischen Kongress zur Corona-Pandemie das soziale Problem der sich vermeintlich verstärkenden Gewalt im häuslichen Kontext während der Pandemie nicht fehlen. Denn hiermit verbunden ist zugleich das Potenzial neue Impulse für die Soziologische Theorie aufzuspüren und zu generieren.
Mit der Ad-hoc-Gruppe stellen wir in diesem Zusammenhang die Frage auf, mit welchen theoretischen Ansätzen ein Beitrag zum Verstehen des beschriebenen sozialen Problems unter Pandemiebedingungen geleistet werden kann. Zentrale/klassische soziologische Theorieansätze sollen dabei ebenso wie geschlechter- und raumsoziologische als spezielle soziologische Theoriebezüge miteinander in einen gewinnbringenden Dialog kommen. Zum zweiten soll die Frage der bisherigen Institutionalisierung soziologischer Grundlagenforschung zu häuslicher Gewalt aufgeworfen und damit ein Versuch unternommen werden, Fehlstellen, politisch verursachte Heteronomien von Forschung oder aber soziologische Forschung "unter dem Radar" auszumachen und zu systematisieren.
Am 25.8.2021 laden wir von 11.30 bis 13.30 Uhr zu folgenden digitalen Präsentationen ein:
- Häusliche Gewalt als Gegenstand sozialer und intersubjektiver Deutungs- und Aushandlungsprozesse: Vorstellungen sozialer Ordnung und die Deutung häuslicher Gewalt
Susanne Nef (ZHAW Zürich, Schweiz) - Von der verschwiegenen Häuslichen Gewalt zur beschwiegenen feministischen Gewaltforschung und -theorie
Reinhild Schäfer, Regina-Maria Dackweiler (HS RheinMain, Deutschland) - Wie die krisenhaften Bedingungen der Corona-Pandemie die Wahrnehmung und Dynamiken häuslicher Gewalt verändern – einige netzwerktheoretische Thesen
Anne Kersten (Universität Fribourg, Schweiz) - Führen die Ausgangsbeschränkungen zu (mehr) häuslicher Gewalt? Eine raumsoziologische Erkundung während der COVID-19-Pandemie
Anja Pannewitz (HTWK Leipzig, Deutschland)
Eine ausführlichere Vorabbeschreibung des Programms der Ad-Hoc-Gruppe ist hier zu finden: https://www.conftool.pro/soziologie-kongress-2021/index.php?page=browseSessions&form_session=59#paperID226
Zur Tagung kann man sich über den folgenden Link anmelden: https://kongress2021.soziologie.de/aktuelles
Für Studierende und arbeitslose Menschen gibt es eine Ermäßigung.