Berufspraxis im Ausnahmezustand
Das öffentliche Leben hat sich Mitte März verändert. Nicht nur die Türen der Hochschulen wurden vorübergehend geschlossen, auch der Arbeitsalltag im Sozialwesen und in Architektur und Stadtplanung hat sich abrupt verändert. Was bedeuten diese Veränderungen für die Büros, Einrichtungen und die zukünftige Arbeitssituation in den Branchen unserer Fakultät?
In der Architektur und Stadtplanung stehen zunächst die Verlagerung von Besprechungsterminen in den virtuellen Raum, die Einzelarbeit im Homeoffice statt mit dem Team und den technischen Ressourcen im Architektur- und Planungsbüro sowie Verschiebungen von Bauarbeiten als besondere Herausforderungen im Vordergrund. Welche Bedeutung hat die Situation der Kontaktbeschränkungen für die weiteren Betriebsabläufe, veränderte rechtliche Regelungen und die geplanten Partizipationsprozesse? Wie können die Freischaffenden, Angestellten ebenso wie die Behörden in dieser Situation für die Gesellschaft weiterarbeiten?
Im Bereich der Sozialwissenschaft und der Sozialen Arbeit schaffte die Ansteckungsgefahr mit Covid 19 und vor allem mangelnde Schutzkleidung sehr schnell eine starke Barriere in der direkten Arbeit mit und am Menschen. Auch hier werden viele, nicht als dringend notwendig eingestufte Termine verschoben. Vorranging wird jedoch die Bandbreite an Tätigkeitsbereichen im Sozialen Sektor und deren Teilung deutlich. Pflege und Betreuung über alle Altersgrenzen hinweg bekommen eine intensive und systemrelevante Bedeutung und Zuspruch. Fraglich sind die Bereiche u.a. der ambulanten Hilfen. Hier darf aufgrund der Infektionsgefahr nur noch bei Notfällen agiert werden. Doch was passiert mit den restlichen Klient*innen, die im Alltag mit Unterstützung bereits an ihre Grenzen stoßen? Was macht dies mit der Arbeits-Beziehung zwischen Sozial-Arbeiter*in und Klient*in?
Hinter all diesen Veränderungen stehen gefährdete Existenzsituationen, Arbeitsplätze und Folgeeffekte. Auch wenn diese jetzt noch kaum einzuschätzen sind, werden sie benannt und verschiedene Szenarien diskutiert. Wird sich die Gesellschaft und das Bild, das wir von ihr haben und auch lehren durch die aktuelle Krise verändern? Eine dynamische Stadt lebt von Aktivität, Veranstaltungen und ständigem Austausch. So leben und so planen wir sie. Auch die Ergebnisse unserer Arbeit profitieren vom Austausch mit Menschen und der Öffentlichkeit. Werden sich Beteiligungsformate verändern müssen? Wird sich die Diskrepanz zwischen Stadt und Land verschärfen oder der Bedarf der Vernetzung deutlicher? Entstehen durch die Krise neue Ängste, die es zu bewältigen gilt?
Vielleicht wird die aktuelle Herausforderung uns für den Hochschulalltag zeigen, für welche Fragen und Situationen der direkte Kontakt miteinander unumgänglich ist und wo andere Wege möglich sind.