„bridge2future“: Wettbewerb für das neue Wissensquartier am Halleschen Tor in Berlin
Bibliothek der Zukunft
Durch die digitale Veränderung der Medien erfahren auch Bibliotheken einen Bedeutungswandel, die Wissensspeicher sind zunehmend digital und auch von außerhalb des Gebäudes erreichbar. Ergo machen sie Platz für neue Nutzungskonzepte, Funktionen, Arbeitsweisen und eine neue Form der wissenschaftlichen Arbeit.
Städtebau:
Unter der Berücksichtigung des städtebaulichen Entwicklungskonzeptes des Blücherplatzes und der Einbeziehung des Bestandsgebäudes der Amerika-Gedenk-Bibliothek, sowie der unmittelbaren Umgebungsbebauung entwickelt sich das städtebauliche Konzept als prägnanter, für sich stehender Baukörper. Jener geht auf die genannten Faktoren ein, nimmt sie auf und präsentiert sich auf eine subtile Art, sodass er sich weder zurück zieht noch versteckt. Der Neubau positioniert sich auf der nordöstlichen Seite des Bebauungsgebiets, hält respektvollen Abstand zum denkmalgeschützten Gebäude der Amerika-Gedenk-Bibliothek und strahlt eine selbstbewusste eigene Kraft aus. Der Neubau reagiert auf die typologischen Höhen der Umgebungsbebauung, sodass sich nordwestlich ein Hochpunkt und südlich ein Tiefpunkt ausbildet. So nimmt es Rücksicht auf die südöstlich gelegene Heilig-Geist Kirche und die AGB.
Die drei Knicke reagieren unmittelbar auf die Umgebung: so bildet sich zwischen der AGB und dem Neubau eine neue Platz- und Eingangssituation, welche die Besucher im Knick bewusst in das Gebäude lenkt. Der Baukörper nimmt sich so an dieser Stelle zurück, bildet ein städtebauliches Pendant zur gegenüberliegenden Bestandsbebauung und erschafft eine natürliche Durchquerungsachse des Gebiets. Die dadurch entstandene ausdrucksstarke Form des Baukörpers reagiert zwar auf die Umgebung, steht aber ganz für sich. Darüber hinaus erregt dieser bereits von weitem Aufmerksamkeit und wird im Stadtraum von jeder Erschließungsachse aus wahrgenommen. Bestehende, funktionierende Wege und Durchquerungen wurden verbessert und gewahrt. Der neu geschaffene urbane Platz vor der AGB bildet mit seinen grünen bepflanzten Betoninseln einen Ort zum Verweilen, Ankommen und leitet zu den Eingängen der AGB und des Neubaus.
Formgebung:
Unter Berücksichtigung der oben genannten Kriterien entwickelt sich ein starker, für sich sprechender Solitär, der durch seine transluzente Fassade eine ansprechende Symbiose zwischen Umgebung und Gebäude herstellt. Durch den etwas zurück gezogenen Eingang in einem Knick des Gebäudes gelangen die Besuchenden über eine Drehtür in das Foyer, welches nahtlos in ein riesiges öffentliches Stadtwohnzimmer übergeht. Der öffentliche Raum soll nicht durch die Türen des Gebäudes getrennt werden, sondern in einem Fluss durch das Gebäude gehen. Hier ist Platz zum Verweilen, um Informationen an den Terminals zu bekommen sowie neue kulturelle Erfahrungen zu sammeln. So wird die Bibliothek als öffentliches Gebäude eins mit dem Stadtraum. Das Gebäude stellt das Instrument dar, welches durch die Menschen die es Nutzen gespielt wird und sich so entwickelt.
Funktionalität:
Architektonische Darstellung des Publikumsbereiches.
Die großzügige, gewendelte media ramp in der Mitte des Gebäudes bildet das Herzstück der Bibliothek. Sie dient nicht nur der stufenlosen Erschließung fast aller Geschosse und derer Publikumsbereiche, sondern lädt auch zum Verweilen, Lesen, Spielen etc. ein. Durch das großzügige Oberlicht in der Dachfläche wird gleichzeitig der innenliegende Teil der Bibliothek natürlich belichtet.
Die drei massiven Erschließungskerne, die Fahrstühle, Medienlogistik und Nassräume beinhalten, stellen die einzigen massiven Wände im Gebäude dar. Ein sich sternförmig ausbreitendes Tragsystem um die Kerne herum ermöglicht freie und offene Grundrisse, die es ermöglichen, dass das Tageslicht bis tief ins innere des Gebäudes gelangt. Jenes bietet Möglichkeiten einer flexiblen Nutzung und gibt den Menschen einen großzügigen Kommunikationsort.
Die Veranstaltungsflächen befinden sich im obersten Teil des Gebäudes in exponierter Lage mit Blick über Berlin.
Pro Geschoss gibt es einen Publikumsbereich und einen separaten Flügel in denen die Fachbereiche untergebracht sind. Weiterhin ermöglichen die verschiedenen Fachbereiche die Nutzung unterschiedlicher Sonderfunktionen wie beispielsweise Werkstätten, Tonstudios, Radio Stationen oder Buchdruck.
Die Beschäftigten der Bibliothek arbeiten im östlichen Teil des Gebäudes in einer teils offenen und teils geschlossenen Bürolandschaft welche einen regen Austausch fördert.
Wo früher Autos geparkt haben entsteht nun ein neuer bepflanzter Vorplatz um die Aufenthaltsqualität und die Verknüpfung zur Amerika-Gedenk-Bibliothek herzustellen. Fahrrad sowie PKW Stellplätze sind im ersten Untergeschoss zu finden. Im ersten bis dritten Untergeschoss befindet sich das Tiefmagazin und die Medienlogistik.
Innovationsgrad der Entwurfsidee / Umgang mit Bestand :
Um dem Ziel alle Bücher kompakt in einem gemeinsamen Haus zusammenzuführen gerecht zu werden, verliert die Amerika-Gedenk-Bibliothek ihre bisherige Funktion als Bibliothek und wird zu einer Zentralen Mensa im Erdgeschoss umgenutzt. Ihre Lage in der Mitte des neuen Platzes und ihre Raumfolge im Erdgeschoss erweist sich als guten Standort für eine Mensa. In ihren Obergeschossen sind Büroräume untergebracht.
Ökologisches Kriterien / Energetisch effizient:
Das Konzept ist energetisch effizient, denn die Betonkerntemperierung sorgt als innovative und kostengünstige Methode zum Kühlen und Erwärmen des Gebäudes. Sie nutzt die Fähigkeit der Decken und Wände im Gebäude, um thermische Energie zu speichern und damit Räume zu heizen oder zu kühlen. Im Sommer kann man auf eine Energie verbrauchende Klimaanlage häufig ganz verzichten, was einen Vorteil gegenüber anderen Konzepten bringt. Die tagsüber durch Sonne und Menschen entstandene Wärme wird Nachts über Rohre ans Erdreich abgegeben, ergo wird am Morgen wieder der Ausgangszustand erreicht, was ein Aufheizen des Gebäudes verhindert. Auch Grundwasser wird genutzt um überschüssige Wärme abzugeben.
Bei kalten Außentemperaturen wird umgekehrt die Wärme nicht abgegeben sonder in tieferen Schichten des Erdreiches gesucht und zur „Aktivierung“ der Kerne genutzt. Für den Restbedarf sind sekundäre Heizsysteme vorzusehen, welche durch die große, innerstädtische Photovoltaik-Anlage des Daches gedeckt werden.
Fassade:
Die geschosshohe Verglasung mit vorgehängter Glasfasermembran ist energetisch wirksam und ermöglicht einerseits eine blendfreie Lichtstreuung des Tageslichts in den um die Fassade angeordneten Lesebereichen, lässt aber andererseits gleichzeitig für die Nutzenden eine nahezu ungehinderte Aussicht zu. Abhängig von Faktoren, wie Tageszeit, Wetterverhältnisse und Nutzungsverhalten verändert sich das Gebäude von einer monolithisch geschlossenen Kubatur zu einer transparenten einladenden Form und ist dadurch ständig im Wandel seines Erscheinungsbildes.
Dreifach Isolierverglasung ist mit einer Pfosten-Riegel-Fassade Geschosshoch vollflächig angebracht. Ein 60 Zentimeter breiter Wartungsgang trennt die Glasfassade von ihrer zweiten vorgehängten Fassade aus einer Glasfasermembran.
David Kerrom und Luca Mathias Hupfer