Zwischen Mökki und Sauna
„Finnland? Du weißt aber schon, dass es dort kalt und einsam ist?“
„Aber ich liebe den Winter, Schnee, Sauna, Fisch und die menschenleere Natur.“
Tatsächlich wusste ich aber bis Mitte Januar 2017 noch nicht, dass es Ende März in dieses Land gehen wird. Ich wollte für mein 4. Fachsemester unbedingt ein Praktikum in Skandinavien machen, da hier das Sozialsystem einen ausgezeichneten Ruf in ganz Europa genießt. Durch die Internetrecherche wurde ich nicht schlau, deshalb suchte ich mir Hilfe bei der neuen Auslandskoordinatorin unserer Fakultät Frau Pannewitz. Sie stellte für mich den Kontakt zu unserer finnischen Partnerhochschule Mikkeli her. Dank dem regen E-Mailverkehr mit Tommi Pantzar und seiner guten Kontakte vor Ort fand ich schnell eine geeignete Einrichtungsstelle: eines der 10 vom finnischen Staat geförderten Jugendzentrum Hyvärilä im kleinen Städtchen Nurmes im Osten des Landes. Das Praktikum erfolgte unentgeltlich, dafür wurden mir Kosten und Logie gratis gestellt, d.h. drei kostenlose Mahlzeiten im Buffet des Restaurants und ein Appartment, welches ich mir mit finnischen Jugendleitern teilen konnte. Des Weiteren hatte ich mich im Vorfeld meines Aufenthaltes für das Erasmus+ Stipendium bei dem LEONARDO-BÜRO Sachsen Dresden beworben, welche mir glücklicherweise 430€ im Monat zugestanden. Mit all diesen Voraussetzungen musste ich mir keine Gedanken um die finanzielle Lage machen, denn in Finnland sind die Lebensmittelpreise doppelt so teuer.
Meine Anreise gestaltete sich als zeitaufwendiges Unterfangen, da ich mit dem Flugzeug zunächst in Helsinki zwischenlandete, bis es weiter nach Kajaani ging. Von dort aus konnte ich erst am nächsten Tag mit dem Bus weiterreisen in das Jugend-und Tourismuszentrum Hyvärilä, Nurmes. Hier wurde ich offen und herzlich von meiner Praxisanleiterin Tuija Hurri empfangen.
Mein Praktikum bestand vorwiegend in der Arbeit mit finnischen Schulkindern im Alter von 12 Jahren, welche hier ihre Klassenfahrten verbringen. Hier konnten sie unter unserer Anleitung zahlreichen Aktivitäten nachgehen wie u.a. Klettern, Kanufahren, Bogenschießen, Paintball und Ukuleleworkshop.
Nicht nur die sogenannten school-camps werden hier durchgeführt, sondern auch Nuotta-Groups, d.h. junge Erwachsene (18 bis 29 Jahre), welche unter mangelnder Sozialkompetenz leiden und die mit Hilfe dieser Aktivitäten ihre eigene Grenzen ausbauen.
Zu der Jugendarbeit gehört auch der offene Jugendtreff Apaja im Stadtzentrum der Stadt Nurmes, welche Raum und Möglichkeit für Jugendliche bietet, die den Einstieg ins Berufsleben noch nicht gefunden haben. Hier erhalten sie Unterstützung, Bewerbungen zu schreiben und ihren Alltag zu strukturieren.
Ab Juni starten in Finnland meistens die Sommerferien in Finnland, was einen Strom an Touristen aus unterschiedlichsten Ländern zur Folge hat. Außerdem bietet das Jugendzentrum auch Ferienlager für Kinder im Alter von 7 bis 12 Jahren an.
Im Juli erfolgte für mich der Einblick in die Organisationsarbeit solcher Programme im Büro.
Meine Arbeitszeiten waren meist von Montag bis Freitag. Somit nutzte ich meine freien Wochenenden für das Reisen durch das Land. Gleich zwei Wochen nach meiner Anreise verbrachte ich das verlängerte Osterwochenende im verschneiten Lappland in der Heimatstadt des Weihnachtsmannes: Rovaniemi. Dort und in der Studentenstadt Oulu begegnete ich vielen
internationalen Studenten, darunter auch Deutschen. Auch in den darauffolgenden Wochenenden bin ich in die umliegenden Städte gereist. Meist konnte ich dabei auf Couchsurfing zurückgreifen. Die Arbeit ermöglichte es mir, ebenfalls an die Ostgrenze Finnlands zu Russland zu reisen oder mit Koli einen der schönsten Nationalparks Finnlands zu bestaunen.
Den kurzen, aber intensiven Sommer nutzen die Finnen mit ganz unterschiedlichen Veranstaltungen, Musik-und Theaterfestivals, Freilichttheater und anderen Events. Glücklicherweise durfte ich auch den berühmten Mittsommer mit all seinen Traditionen miterleben.
Nach meinem viermonatigen Praktikum reiste ich die Westküste Finnlands entlang bis nach Helsinki und von dort aus ging es mit zwei deutschen Freunden auf einen Roadtrip durch die Städte Tallinn, Riga, Tartu, Vilnius, Danzig zurück nach Leipzig.
Letztendlich lässt sich sagen, dass ich trotz anfänglicher Annäherungsschwierigkeiten mit den Finnen, ihr Land, ihre Kultur, ihre Mentalität und vor allem die Natur kennen und lieben gelernt habe. Mein Praktikum in dieser tollen Einrichtung ermöglichte mir viele wertvolle Erfahrungen, neue Herausforderung und neues Wissen, wenn auch eher im Zwischenmenschlichen als im fachlichen Bereich. Finnland ist ein interessantes, wenn auch unerschlossenes Land mit herzlichen Menschen. Man muss Ihnen nur die Zeit dazu geben. Ich kann jeden nur empfehlen sich in das Abenteuer Auslandspraktikum zu stürzen. Am besten ihr fangt frühzeitig mit der Planung an, aber auch für Kurzentschlossene findet sich immer ein Weg, wie mein Auslandspraktikum beispielshaft zeigt.
Janine Schönefeld, ERASMUS+